
Alina Krug ist 23 Jahre alt und arbeitet als Erzieherin in einer Therapeutischen Wohngruppe. Sie ist authentisch, ehrlich und herzlich. In dem Interview erfahren wir von ihr, wie leidenschaftlich sie ihren Beruf ausübt.
Für welche drei Dinge in Deinem Leben bist Du am dankbarsten?
Für die Liebe und Erziehung meiner Eltern, für den frühen Umgang mit Andersartigkeit/ Menschen mit Einschränkungen und für die intensive Phase in meiner Pubertät.
Was treibt Dich an? / Was motiviert Dich?
Ich bin von Grund auf ein sehr optimistischer und gutherziger Mensch. Durch die Prägung meiner Eltern, habe ich gelernt, möglichst vielen Menschen in meinem Umfeld klar zu machen, wie wichtig es ist immer an das Gute zu glauben und auch in Phasen wo es einem nicht gut kennt, nicht den Mut zu verlieren und weiterzumachen. Man kann keinen Menschen verändern, nur seine eigene Einstellung dazu. Für mich steht im Vordergrund, natürlich muss ich mich auch ständig daran erinnern, meine Energie nicht für Dinge zu verschwenden, die ich im Moment nicht ändern kann. Häufig merke ich, dass ich mein Umfeld auch durch meine Einstellung verändere, was mich motivviert genau so weiter zu machen.
Hast Du einen Beruf gelernt?
Nachdem ich mein Fachabitur in Richtung Gestaltung gemacht habe, dachte ich eigentlich immer, dass das die Richtung ist, in die ich gehen möchte. Ich bin frühzeitig dann in einer WG gezogen und habe ein FSJ in eine offenen Kinder- und Jugendzentrum gemacht. Da merkte ich dann, wieviel Spaß es mir macht, meine eigene Persönlichkeit und Leidenschaft mit vielen Menschen im Kontakt zu stehen und zusätzlich noch kreativ zu sein, zu verbinden. Nach meinem FSJ habe ich dann gemerkt, dass ich vor allem in der Arbeit mit Jugendlichen selbst am Authentischsten sein kann. Ich selbst, bin kein Studium typ und habe mich daher für eine Erzieherausbildung im Schwerpunkt auf Erziehungshilfe entschieden.
Welchen Job übst Du heute aus?
Heute arbeite ich in einer Therapeutischen Mädchenwohngruppe für Psychisch Kranke als Erzieherin und beginne ab diesem Jahr mit einer Weiterbildung als Systemische Beraterin/Therapeutin im Schwerpunkt auf Eltern und Familiencoaching.
Was magst Du an Deinem Beruf am meisten?
Vor allem die Abwechslung und die vielen unterschiedlichen jungen Mädchen, mit Unterschiedlichen Erfahrungen /Krankheiten. Es ist immer wieder eine Herausforderung sie zum Leben zu ermutigen und davon zu überzeugen wie schön es sein kann.
Auf was könntest Du in Deinem Berufsleben nicht verzichten?
Auf den Spaß mit jungen Mensch zu arbeiten.
Wie sieht dein Arbeitstag aus?
Häufig habe ich Spätdienste oder 24 Stunden schichten. Außer in der Nachtbereitschaft sind wir nie alleine im Dienst. Durch das Therapeutische Setting ist der Bedarf einer 1:1 Betreuung Notwendig. Wöchentlich finden innerhalb der Gruppe unterschiedliche Gruppentherapien und Einzeltherapiestunden für die Jugendlichen statt. Neben der Zusammenarbeit mit unserem Therapeuten und Psychiater hat unser Kerngelände des Trägers eine Schule für Kranke, die Möglichkeit Reittherapie zu haben und unterschiedliche Werkstätte um eine Ausbildung zu absolvieren. Viele unser Mädchen haben unterschiedliche Krankheitsbilder wie Persönlichkeitsstörungen (Borderline) oder sehr Traumatische Belastungsstörungen wodurch sie es schwerer haben, den Alltag alleine zu meistern. Viele Tage sind davon geprägt, die jungen Menschen bei täglichen Herausforderungen zu begleiten und zu betreuen. Das kann ein vollständiger Schulalltag sein, das Aufstehen, eine generelle morgendliche Struktur, Begegnung mit den eigenen Grenzen, Unterstützung beim Aufzeigen der Gefühle, viele Gespräche, Freizeiten, Bezugsbetreuertage, Skills,…. Jeder bei uns hat so unterschiedliche Ressourcen und Stärken wodurch nur eine sehr individuelle Arbeit Möglich ist. Für manche ist es schwer sich in Menschenmengen zu befinden, für den anderen wiederum das regelmäßige Essen. Die Jugendlichen lernen durch die frühe Konfrontation mit ihren Ängsten und Krankheiten auch frühzeitig, damit umzugehen.
Auch das Thema Selbstverletzung ist bei uns sehr präsent. Manche unser Jugendlichen haben durch ihre Persönlichkeitsstörung immer wieder kehrende Spannungszustände wo sie selbst nicht wieder rauskommen und sich dadurch um ,,Druck‘‘ abzubauen für eine Moment, sich selbst verletzten. Für mich persönlich war das die größte Herausforderung in der Arbeit. Teilweise sind es Lebensgefährliche Selbstverletzungen wo sofort eine Fahrt ins Krankenhaus nötig ist. Hört sich für jemanden der nicht aus dem Bereich ist erstmal alles sehr viel an.. ist es auch. Jedoch lernt man auch durch die täglichen Herausforderung und die Beziehungsarbeit mit dem jungen Menschen damit umzugehen. Durch die Arbeit in diesem Bereich ist mir erstmal aufgefallen, wie viele junge Menschen es gibt die den Sinn ihres Lebens nicht kennen oder verloren haben. Dafür gibt’s so viele unterschiedliche Gründe. Ich habe es mir persönlich zur Aufgabe gemacht besonders solchen Menschen zu helfen. Durch die kleinen Schritte jedes einzelnen, zeigt es mir auf, dass jede Mühe auch erfolge mit sich bringen kann.
Schränkt Dein Berufsleben Deine privaten Wünsche ein?
Anfangs brauchte ich sehr lange um nicht ständig an die schlimmen Sachen von der Arbeit zu denken. Mittlerweile nutze ich mein Arbeitsweg von einer Stunde um den Tag nochmal zu reflektieren, positive Dinge aufzuzeigen um dann mich komplett auf mein zu Hause zu konzentrieren und eine Grenze zwischen Beruf und privat zu legen.
Häufig ist es aber dennoch so, dass sich Dienste verschieben oder man länger bleibt das bedarf natürlich auch eine hohe Flexibilität und ein Umfeld mit Akzeptanz und Verständnis. Manchmal ist es schwer noch richtig Spontan dann zu sein, aber in solchen Momenten erinnre ich mich immer daran, wofür ich das tue.
Wie gehst Du mit der Kritik von Deinen Kollegen und Vorgesetzten um?
Durch die sehr enge Zusammenarbeit im Team und mit meinen Kollegen, sind wir ständig am Reflektieren. In jeder Übergabe wird reflektiert oder auch in der Teamsitzung und Supervision. Gerade in der Arbeit mit Menschen ist es wichtig, sich selbst auch Fehler einzugestehen denn genau das, ist menschlich. Manchmal ist es natürlich nicht einfach, weil natürlich auch die eigene Entscheidung viel Verantwortung mit sich bringt. Dennoch ist es für mich wichtig, dass meine Kollegen mir aufzeigen wenn sie etwas anders gemacht hätten oder etwas nicht gut gelaufen ist. Das lässt mich in meiner Haltung nur reifen.
Wenn Du Deinen Beruf ändern könntest, für welchen würdest Du Dich heute entscheiden?
Ich will ihn tatsächlich nicht ändern. Was ich gerne noch zusätzlich machen will ist eine Systemische Ausbildung um diese auch in meiner Arbeit anzuwenden. Es gibt aber auch Tage wo mich alles nervt, nichts klappt wie es soll und ich dann kurzzeitig denke, hättest du mal was kreatives gemacht. Aber ich denke, das ist völlig normal gerade in Momenten wo nicht alles super läuft.
Wenn Du die Zeit zurückdrehen könntest, was würdest Du Deinem jüngeren Ich bezüglich Berufswahl und dem Leben sagen?
Früher hätte ich niemals Gedacht, dass ich mit psychisch kranken Menschen zusammenarbeite. Heute weiß ich jedoch, warum genau das was für mich ist.
Meinem Früheren ich würde ich sagen: ,,Glaube an dich selbst – probiere die Dinge aus, die dich Interessieren – nutze deine Stärken/Interessen – entscheide dich für etwas, was dir Spaß bereitet!“
Die Arbeit mit psychisch kranken Menschen schreckt viele junge Menschen davon ab, eine Ausbildung in dieser Richtung zu anzufangen. Alina hat uns gezeigt, dass es auch in jungen Jahren möglich ist, so eine verantwortungsvolle Arbeit auszuüben und Spaß dabei zu haben. Ich dene dieses Interview inspiriert Euch!
Schreibe einen Kommentar